Einen glatten Einser haben vergangenes Jahr in Bayern genau 229 Schüler geschafft. Das waren fast 0,9 Prozent aller bayerischenAbiturienten.
Mit dem Schnitt haben sie gute Chancen, in eine Studienstiftung aufgenommen zu werden, die noch auf König Maximilian II zurückreicht und daher den schönen Namen "Maximilianeum" hat. Dort kann man sich nicht selbst bewerben, sondern wird vom Rektor seiner Schule vorgeschlagen. In Frage kommt nur, wer die Bestnote 1,0 und - natürlich - eine "tadellose sittliche Führung" vorweisenkann.
Die Stipendiaten erwartet freie Kost und Logis am Sitz der Stiftung, der auch "Maximilianeum" heißt. Das bedeutet unter anderem Frühstücksbuffet, Rücksicht auf Spätaufsteher und regelmäßigen Besuch vom Putzpersonal, wie auf der Webseite der Stiftung nachzulesenist.
Bleiben wir bei den schönen Namen: Zeppelin University. So nennt sich eine private Hochschule in Friedrichshafen. Trotz des elitären Images der Privaten, brauchen Studienbewerber hier kein Super-Abi: Ob 1,1, 2,6 oder 3,7 macht für die Hochschule kaum einen Unterschied. "Wir schauen uns die Abinote zwar an, aber sie spielt eine ganz untergeordnete Rolle", sagt Tim Göbel von der ZeppelinUniversity.
Franz Kiraly aus Hayingen im Landkreis Reutlingen hat diesen schönen Schnitt in seinem Abizeugnis stehen. Das Besondere daran: Franz war zum Zeitpunkt der Abiprüfung 14. Danach wollte er Medizin und Mathematik studieren. Das war im Jahr 2000. Ob Franz heute schon Professorist?
Noch ein Super-Abi, diesmal aus Bayern. Sara Deborah Struntz aus Roth bei Nürnberg hat diesen Schnitt im selben Jahr wie Franz hingelegt. Zuvor hatte sie drei Klassen übersprungen. Beim Abi war sie dann, wen wundert's, nur zarte16.
Ginge nach dem Abi die Schule weiter, wäre das wohl die kritische Grenze. Dann bliebe die 1,4 ein "sehr gut", während die 1,5 kurzerhand zum "gut" würde. Aber nachdem die Schule nun mal mit dem Abizeugnis endgültig aus ist, darf man ungehindert sogar bei einem Schnitt von 1,9 von einem Einser-Abisprechen.
Das ist der Abischnitt von Marietta Slomka, der Moderatorin des heute-journals, und der ist viel besser als Ulrich Wickerts Abitur-Note. Mr. Tagesthemen hat 2,8 und, wie er sagt, sein Abizeugnis nach der Schule nur einziges Mal gebraucht: um sich an der Unieinzuschreiben.
Die 22-jährige Anna Lührmann ist nicht nur früh dran, sondern offensichtlich auch überdurchschnittlich gut. Die grüne Politikerin sitzt als jüngste Abgeordnete aller Zeiten im Bundestag und ihr Abi war mit 1,6 weit besser als der Durchschnitt. (siehe2,4).
Was hat Kunst mit der Abinote zu tun? Für Bewerber des Studiengangs Dramaturgie an der Münchner Uni viel. Denn der Numerus clausus für das hochschuleigene Zulassungsverfahren lag bislang bei 1,7. Doch zum kommenden Wintersemester wird alles anders: Bewerber müssen dann an einem "Eignungsfeststellungsverfahren" teilnehmen, zu dem eine schriftliche Bewerbung und ein mündlicher Test zählen. Aber ganz ohne Schulnote geht es wohl doch nicht: Der Abischnitt wird weiter "Bewertungsgrundlage" sein, heißt es auf den Seiten des Instituts fürTheaterwissenschaften.
Das war vergangenes Sommersemester die Auswahlgrenze für ein Medizinstudium in Bayern. Ab welcher Note es bei der Bewerbung für einen Studienplatz eng wird, konnte man bislang immer auf der Webseite der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) nachlesen, die bundesweit Studienplätze in Fächern mit Numerus clausus (NC)vergibt.
Doch inzwischen ist alles anders, denn die Vergabe der Studienplätze ist neu geregelt worden. Jetzt können die Hochschulen 60 Prozent der Studienbewerber selbst auswählen, beispielsweise durch Auswahlverfahren, in denen es nicht nur auf den Abischnittankommt.
Manche Hochschulen, wie die Münchner Uni im Fach Medizin, lassen aber zunächst weiterhin die Dortmunder Behörde unter den Bewerbern auswählen. Und dann geht es, wie bislang, doch wieder nur umNoten.
"Es ist eher selten, dass uns ein Abiturient mit diesem Schnitt von seinem Schulleiter als Stipendiat vorgeschlagen wird", sagt Cordula Avenarius, Sprecherin der Studienstiftung des deutschen Volkes. In der Regel hätten die Kandidaten eine 1,0 bis 1,5. Doch der Stiftung geht es ihr zufolge nicht darum, die Abiturienten mit den besten Noten zu fördern. "Wir suchen junge Leute, die neben dem Schulunterricht Initiative und Verantwortungsbewusstsein gezeigt und interessante Hobbys verfolgt haben", sagt Avenarius. Jemand, der schon bei der Schülerzeitung mitgearbeitet hat oder Schülersprecher gewesen ist, hat dann unter Umständen bessere Chancen beim Auswahlverfahren der Stiftung zu bestehen als "der Jahrgangsbeste, der neben der Schule nichts zu bietenhat".
Jedes Jahr werden der Stiftung mehr als 3000 Abiturienten vorgeschlagen. Etwa ein Viertel von ihnen schafft es, die Auswahlkommission zu überzeugen. Die Stipendiaten bekommen ein monatliches Stipendium bis zu 525Euro.
Selbst bewerben können sich Abiturienten nicht. Das Vorschlagsrecht liegt bei denSchulen.
Der Abi-Schnitt und seine 31 Möglichkeiten
Bei der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) ist die Selbstbewerbung dagegen Prinzip. Die Abinote der Bewerber "sollte gut sein", heißt es bei der FES. 2,0 ist wohl die geheime Grenze, einen offiziellen obersten Schnitt gibt es aber nicht. Ausschlaggebend für die Auswahl der künftigen Stipendiaten sind laut Stiftung das gesellschaftspolitische Engagement und sehr gute Leistungen imStudium.
Abischnitt der Autorin. Sie wissen ja, was aus ihr geworden ist. Auf ihrem Weg dorthin wurde sie niemals auf ihr Abizeugnisangesprochen.
Damit kann man bei der Konrad-Adenauer-Stiftung noch durchkommen. Wer sich direkt nach der Schule um ein Stipendium bewirbt, sollte schon "irgendwo zwischen eins und zwei liegen", heißt es bei der Stiftung. Doch wenn ein Bewerber erst einmal eine Ausbildung gemacht und dabei sehr gut abgeschnitten hat, oder schon sehr gute Studienleistungen vorweisen kann, würde die Abinote in den Hintergrundrücken.
Das ist wieder ein Prominentenschnitt. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hat ihn in seinem Abizeugnis stehen. Sein Maschinenbau-Studium hat er später mit "hervorragenden Zeugnissen" abgeschlossen, wie ersagt.
So klingt der Durchschnitt. Genau genommen liegt das bayerische Durchschnitts-Abi bei 2,43. Besser wird's wohl auch dieses Jahr nicht, denn laut Kultusministerium ist dieser Wert seit Jahren "erstaunlichkonstant".
Mit einer 2,5 im Abi werden sich Bewerber für ein Stipendium des Studienwerks der Heinrich-Böll-Stiftung schwer tun. "Wir erwarten hervorragende Leistungen", sagt Ulla Siebert vom Studienwerk. "In der Regel sollte das Abi besser als zwei sein, aber bei der Einschätzung der Bewerber vertrauen wir auf unserAuswahlverfahren".
Es gibt eine interessante Statistik von der Kultusministerkonferenz. Darin sind die Abidurchschnittsnoten der Bundesländer aufgeführt. Hamburger Schüler kommen auf ein Notenmittel von 2,6. Sie liegen damit zwar zwei Kommastellen hinter den Bayern zurück, aber noch vor Berlin undNiedersachsen.
Damit wird Musik gemacht. Florian Rein von den Bananafishbones hat uns seinen Schnitt von 2,7 verraten, der für ihn "keine weitere Bedeutung" hat: "Weder bei meinem Jura- noch bei meinem Musikstudium hat je jemand danachgefragt."
Auch wer sich für das Carlo-Schmid-Programm des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) bewirbt, mit dem deutsche Studierende und Hochschulabsolventen zu Praktika bei internationalen Organisationen vermittelt werden, kommt um seine Abinote nicht herum. Sie wird nicht nur der Form halber im Bewerbungsbogen abgefragt: "Wenn jemand eine 2,8 hat, wird das bemerkt, aber wichtiger sind uns das Studium und der fachliche Bezug zu unserem Programm. Bewerber sollten sich aber im Klaren sein, dass ihre Note durchaus zum Gesamtbild beiträgt", sagt Ruth Schulze vomDAAD.
Fast wäre ein diplomierter Philosoph aus ihm geworden, aber Kaya Yanar gehört zu den prominenten Studienabbrechern. Die Schule hat der Kabarettist aber durchgezogen. Sein Abischnitt:2,9.
Der Abi-Schnitt und seine 31 Möglichkeiten
Das klingt so nach Durchschnitt und ist doch weit schlechter, wie wir inzwischen wissen. Vielleicht lässt sich dafür mit guten Punktzahlen in manchen Fächern glänzen. Manche Arbeitgeber schauen sich gezielt die Deutsch- oder Mathenoten an. Heinz Schuler, Professor an der Uni Hohenheim würde ihnen davon abraten: "Die gemittelte Abiturnote, also der Abischnitt, ist als Auswahlkriterium besser geeignet als jede Einzelnote, da sie Zufallsfehler - wie zum Beispiel Urteilsgewohnheiten einzelner Lehrer - ausgleicht", sagt derPsychologe.
Diese Note hält das Auswärtige Amt nicht davon ab, sich einen Bewerber für den gehobenen Dienst näher anzuschauen. "Wir vertrauen auf unser Auswahlverfahren", heißt es bei denDiplomaten.
Auch wer sich für den höheren Auswärtigen Dienst bewerben will, sollte sich davon wegen einer drei vorm Komma nicht abhalten lassen. Vom nächsten Jahr an soll die Abiturnote zwar berücksichtigt werden, aber ein schlechter Schnitt wird weiterhin kein K.o-Kriterium sein. Wichtiger sei derStudienabschluss.
Andersherum würde sich der Schnitt besser machen. Eine 2,3 würden viele Arbeitgeber lieber im Zeugnis ihrer Bewerber entdecken. Vor allem Unternehmensberater stehen im Ruf, sich nur für Überflieger zu interessieren. Stimmt das? Wir haben bei der Unternehmensberatung Accenture nachgefragt, und siehe da: Eine drei vor dem Komma wird bei Bewerbern zwar nicht gerne gesehen, aber ein Knock-out-Kriterium sei es nicht. Vielmehr komme es auf das "Gesamtbild" an und die Note vom Diplom sei "weitausentscheidender".
Die private Hochschule "International University Bremen" (IUB) setzt ihrer Webseite zufolge auf "hochqualifizierte Studenten". Damit sie die findet, müssen Studienbewerber erst einmal eine schriftliche Prüfung bestehen. Auch auf die Abi-Note wird geschaut, aber wenn ein Bewerber im Test gut abschneidet und "durch seine Persönlichkeit überzeugt", wird laut IUB nicht nach dem Abischnitt ausgelesen. Wer ansonsten den Anforderungen entspricht, kommt auch mit einem 3,3-Abi durch, heißtes.
Das ist eine ganze Note schlechter als der Durchschnitt und für manche ein Problem. "Ich werde von Hochschulabsolventen oft gefragt, wie sie mit ihrem Abizeugnis umgehen sollen", sagt Cordula Schaub, die bei der Coach-Academy in Stuttgart Karriereseminare leitet. Sie rät dann, das Zeugnis auf keinen Fall wegzulassen und eine schlechte Note nicht zu verdecken, denn: "Das macht einen schlechten Eindruck". Stattdessen sollte man versuchen sich durch Praktika, das Studium und zum Beispiel gesellschaftliches Engagement ins rechte Licht zurücken.
Bekommt man mit diesem Abi noch eine Lehrstelle? "Darauf kann ich nicht pauschal antworten", sagt Christina Hüge-Hornauer von der Berufsberatung der Münchner Arbeitsagentur. "Es kommt darauf an, welchen Ausbildungsberuf der Bewerber wählt. Kann er trotz der Noten darstellen, dass er den Anforderungen entspricht? Wählt er eine Ausbildung die eher für Haupt-und Realschüler konzipiert ist oder ein dualesStudium?"
Generell bestehe bei den Unternehmen die Tendenz die besten Abiturienten zu bevorzugen. "Gerade bei Ausbildungstellen, die von Abiturienten stark nachgefragt werden, setzen sich meist die Besten durch. Mit einem Abiturzeugnis von 3,5 hat man es dann nicht immer leicht, da die Note oft das erste Auswahlkriterium ist. Hier gilt es die eigenen Fähigkeiten und Stärken hervorzuheben. Praktika und Soft-skills sind wichtig. Die Jugendlichen sollten sich ehrlich überprüfen und nachforschen, was die Ursachen des 3,5 Abiturs waren. Ist jemand trotzdem in Mathe, Physik und Deutsch gut, kann das für bestimmte Ausbildungsberufe wieder qualifizieren. Auch künstlerische Begabungen lassen manche schlechte Note vergessen. Die Jugendlichen sollten dann in einem sehr guten Anschreiben ihre Fähigkeiten und Stärken formulieren," sagtHüge-Hornauer.
Wer dabei Hilfe braucht kann zur Berufsberatung der Arbeitsagenturen gehen, dort gibt es Bewerbertrainings für Schüler. Hüge-Hornauer meint, dass man sich gut mit dem Unternehmen auseinander setzen muss, bei dem man eine Ausbildung machen möchte. "Meist wird aus den Anforderungsprofilen deutlich, ob man mit einer Abiturnote von 3,5 überhaupt eine Chance hat", sagtHüge-Hornauer.
Schauen wir uns noch einmal die Statistik der Kultusministerkonferenz über die Abinoten in Deutschland an: Am häufigsten von allen Bundesländern haben die Nordrhein-Westfalen eine 3,6 in ihrem Zeugnis stehen. Klar, das ist schließlich das bevölkerungsreichste Land, könnte man meinen. Aber auch in Prozenten umgerechnet, liegen die NRW-Abiturienten vorn: Bei ihnen sind im Jahr 2002 drei Prozent aller Abiturienten auf die 3,6 gekommen, in Bayern waren es 1,2Prozent.
Manchen ergreift spätestens bei diesem Schnitt die Zukunftsangst nach dem Motto: "Wer nimmt mich noch mit dieser Note?" In vielen Internet-Foren sind die Abinoten Thema. Auf www.uni24.de schreibt ein Abiturient aus Münster: "Ich habe ein Problem, das folgendermaßen aussieht: Ich möchte Jura studieren, aber ich schätze, mein Abidurchschnitt wird bei 3,7 / 3,8 liegen. Ich bin totalverzweifelt."
Wer verbirgt sich hinter dieser Note? Das fragt man sich an der privaten Uni Witten-Herdecke. Die Studienbewerber müssen sich erst einmal schriftlich erklären: Warum sie an die Uni wollen und wer sie sind. Die Abinote sei nur ein Faktor unter vielen. Auch bei 3,8. Es soll in Witten-Herdecke sogar Studenten geben, die diesen Schnitt in ihrem Zeugnis stehenhaben.
Mit diesem Schnitt hat man gerade noch das Abi geschafft und jetzt? Für eine Bewerbung bei einer Studienstiftung reicht es nicht mehr, wenn's um einen Ausbildungsplatz geht, werden Konkurrenten mit dem besseren Schnitt in der Regel bevorzugt und bei zulassungsbeschränkten Studiengängen hat man mit 3,9 sämtliche NC weit hinter sich gelassen. Aber es gibt noch Hoffnung. Nicht überall wird man wegen seiner schlechten Note aussortiert. Wir erinnern an das Auswärtige Amt (siehe 3,1), das hier nicht alleine steht. Zum Beispiel heißt es beim Deutschen Institut für Entwicklungspolitik in Bonn, das Hochschulabsolventen für Tätigkeiten im Entwicklungsdienst ausbildet, dass vorwiegend die Studienabschlussnote zählt. Wenn jemand die Uni mit 1,0 beendet, sei selbstverständlich sogar eine vier minus egal, heißt es und: "Na, überlegen Siemal!"
Hier ist Schluss. Das ist die schlechteste Note mit der man das Abi schaffen kann. Hauptsachebestanden.
